Auf der Suche nach dem Tritt

Dieses Bild bringt am heutigen vierten Todestag meiner Mutter zusammen, was der Ort, an dem es aufgenommen ist, mit ihr und mir zu tun hat und ehrt ein wenig ihre Liebe zu Garten und Natur. Ich schrieb anlässlich ihres ersten Geburtstags nach ihrem Tod 2020 auf Instagram dazu:

Vor 88 Jahren wurde der Mensch, der mich geboren hat, geboren. Sie verließ diese Welt Anfang letzten Jahres [2019] und ich versuche immer noch, das ganze Bild zu sehen. Ein Kriegskind, eine Frau, eine Mutter, eine Schwester, eine Tochter, eine Ehefrau, eine Großmutter, die im Leben nicht mehr lebendig war. Gegangen.

Ich bin wirklich kein Freund davon, persönliche, emotionale Themen auf Social-Media-Kanälen zu posten, vor allem, wenn sie zu F***book gehören. Aber hier geht es zu mindestens 50% um Bilder und Fotos. Um Orte und Erinnerungen. Um Menschen und das Leben. Um Fantasie und Illusionen. Um Kunst und Ästhetik. Über Fotografie. Darüber, zu erzählen, was ist.

Dieses Bild wurde 2010 in der Nähe von #Davos in der #Schweiz aufgenommen. Das ist ein Ort, an den ich mich ohne den elterlichen Einfluss wahrscheinlich nie so begeben hätte, wie ich es tat. Ich hoffe, dass die Seele meiner Mutter wie die Blumen auf diesem Bild erblühen und endlich ihren Frieden finden wird.

Danke für das Geschenk des Lebens, das du mir gegeben hast, und für alles, was du mir beigebracht hast – das Gute und das Schlechte. Ich bin dir ewig dankbar. 

So ist das Leben.

Der Im Titel zitierte Tritt ist übrigens eine Wegpassage, die ,als ich sie das erste Mal mit meinem Vater 1983 oder 1984 ging, selbst viele Einheimische nicht kannten. Start ist das Weißfluhjoch (Parsenn) oberhalb von Davos. Ziel: Arosa. Wir hatten diese Tour damals nicht genauso geplant. Wir wollten „einfach“ nur nach Arosa wandern – vor allem bergab. Dann stand an der ersten Wegentscheidung unter anderen: Arosa via Tritt. Wenn wir vorher gewusst hätten, was auf uns zukommt, dann hätten wir vermutlich den Standard-Weg gewählt. Doch auch damals galt schon: no risk, no fun!

Stunden später, der Nachmittag klopfte bereits an der Tür zum Abend, saßen wir auf einer Bank und blickten auf Arosa und den kleinen See, den Bahnhof im Rücken. Wir mussten noch über Chur bis nach Davos zurück und im Grunde war die ganze Nummer komplett außer Kontrolle geraten – zeitlich und auch physisch. Denn nachdem wir den besagten Tritt passiert hatten, dauerte es immer noch elendig lange, bis wir die Steigung hinauf nach Arosa erreichten. Der Tritt selbst waren schlicht deutlich mehr als hundert Metallstufen, die in einen ziemlich senkrechten Felsen geschlagen waren. Es gab Halteseile zu beiden Seiten, doch das war prinzipiell nur ein schwacher Trost. Mein Vater hatte künstliche Hüftgelenke, die vor 40 Jahren weit vom heutigen technischen Standard entfernt waren. Doch er war ein mutiger Mann, der kämpfen konnte und das demonstrierte er mir an diesem Tag in Reinkultur.

Im August 2010 wollte ich mit einem Freund die Strecke noch einmal nachgehen. Nur, dass wir kein einziges Hinweisschild mit dem Wort Tritt darauf fanden. Also machten wir uns nach einiger Zeit der vergeblichen Suche via Standard-Weg Richtung Arosa auf. Dort entstand kurz vor dem Abstieg aus dem Parsenn-Gebiet Richtung Arosa dieses Bild. Auch wenn ich mit meiner Mutter nie dort, sondern nur 1981 in der Nähe unterwegs war, ruht ihr Bild und meine Erinnerung an sie dort an diesem kleinen Teich mit den weißen Blumen.

Ein schönes Wanderziel bleibt es für mich.

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